Montag, 1. Februar 2016

Max Raabe

....und ich möchte jetzt einfach nur mal berichten von einem zauberhaften Abend und der Sehnsucht nach einer Zeit, die ich selbst nur aus Erzählungen kenne! -------------------------------------------------------- Vergangenen Freitag! Beethovensaal - Stuttgarter Liederhalle! Ein Menschengewimmel der älteren Generation tummelte sich im Foyer. Ein Junge, vielleicht gerade mal 15 Jahre alt, begleitete (ich vermute) seine Oma. Fürsorglich führte er die ältere gebrechliche Dame am Arm. Rührend anzusehen. Ich glaube, er war der Jüngste in dem Saal. Genau so wünsche ich mir irgendwann mal meine eigenen Enkelkinder, die (sollte ich gebrechlich werden) bei solchen Veranstaltungen an meiner Seite sind. ----------------------------------------------------------- Alle - einschließlich meiner Person - warteten auf den Beginn des Abends - auf den Klingelton...eins...zwei...drei! ...und nun: Sitzplätze aufsuchen! Die Sicht zur Bühne war einfach super! Der Saal füllte sich! Kein freier Platz war mehr zu sehen! AUSVERKAUFT! ----------------------------------------------------------------
....und nun begann eine Zeitreise - stilvoll in der ganzen Aufmachung....als ER die Bühne betrat! MAX RAABE! Schön gescheitelt - Fliege perfekt gebunden - schneeweisses Hemd - und Smoking! Grandezza der früheren Jahre....und obwohl ich diese Jahre nicht erlebt habe - so wurden sie mir doch in meiner Kindheit immer wieder nahe gebracht mit der Musik durch meinen Vater, mit der er seine Freizeit am Klavier verbrachte und einst - genau mit diesem "Sound" - an der Kriegsfront seinen Kameraden frohe Stunden bescherte. Aber nicht nur an der Front - auch nach Kriegsende machte er mit klingendem Klavier die Bürger meines kleinen Heimatortes glücklich! .....und in mir wurde eine Sehnsucht wach nach etwas, das mal war! Und nie wiederkommen wird! ----------------------------------------------------------------- "Ein kleiner grüner Kaktus"..."Veronika, der Lenz ist da"..."Ich steh mit Ruth gut, weil meine Ruth tut, das was mir tut tut" ..und...und...und...Ich bin mit dieser Musik aufgewachsen. Früher habe ich sie belächelt aber heute? Heute versinke ich dieser vergangenen Welt - in der ich, so glaube ich - vielleicht zufrieden und glücklich geworden wäre. ------------------------------------------------------------------------- Kein Internet, unter dem heute viele Menschen, jung wie alt, oft leiden müssen! Mit dem Freuden geknüpft aber auch Traurigkeit und Verzweiflung gelebt werden. Keine Smartphones und Tablets! Mann und Frau haben wohl auch ihre gemeinsamen Wünsche gehabt - aber - man traf sich nicht zum oberflächlichen blind-date, das heute am Monitor teilweise "ausgehandelt" wird und von einer solchen Eiseskälte durchzogen ist! Denn ist es nicht DER oder DIE - wartet ja nur ein paar Mausklicks weiter DER oder DIE Nächste! Man blättert sich durch Menschen, wie durch einen Katalog oder durch ein Bilderbuch - und es wird aussortiert! Nach Bildern! Aussortiert! -------------------------------------------------------------------------------- Diese früheren Jahre der Zwanziger und Dreissiger mögen in gewissem Sinne hart gewesen sein (keine Waschmaschine, keinen Wäsche-Trockner, ja nicht mal einen Fernsehapparat) - aber man wurde umworben - der Mann bemühte sich um das Mädchen....! Formvollendet und wirklichkeitsgetreu!...lächel..und ganz wichtig: die Frauen waren damals doch wirklich noch alle NATUR! Kein Botox und keine falschen primären und sekundären Körperteile! ------------------------------------------------------------------------ .........und: unsere Sprache war deutsch!!!! Und genau DAS verkörpert Max Raabe! Unser deutsches Liedgut - und unsere Sprache, auf die ich persönlich immer stolz gewesen bin und noch weiterhin stolz sein werde! Ein Max Raabe benützt in seinen Chansons, Couples und Liedern keine englischen Schlagworte! Worte, von denen Mancher nicht mal weiß, was sie übersetzt heißen! Und immer wieder tauchen neue solcher Worte auf - für die es sicher deutsche Erklärungen gibt. --------------------------------------------------------------------------- "Sale" und "News" sind ja noch harmlos! Aber geht es nicht auch als "Ausverkauf" und "Neuheiten"? Wenn es aber beginnt mit "Hashtag" oder "Shitstorm" - dann ist das einfach für unsere deutsche Sprache ein trauriges Kapitel. Klingt besser in englisch - meinen vielleicht Manche! Aber ich finde - es klingt kein bisschen besser! Und meine Meinung teilen in der Realität viele Leute. Bis vor kurzem - ich gebe es zu - wusste ich nicht mal, was "Hashtag" überhaupt bedeutet! ....und wenn eine 70-jährige Frau mit dem Wort "cool" um sich wirft, klingt das nur lächerlich! "Cool" um "cool" zu sein?? Das geht überhaupt nicht! ----------------------------------------------------------------- Und Max Raabe - ein "Gesamtkunstwerk" - mit gestelzten Sätzen - ER verkörpert unsere Sprache. Eigentlich spricht heute niemand mehr in dieser Weise: "Wir wären sehr dankbar, wenn Sie uns die Möglichkeit einräumen würden, Ihnen noch ein Stück vortragen zu dürfen"....aber genau diese Sätze bringen Leichtigkeit und ein Schmunzeln, teilweise auch ein lautes Lachen in die Vorstellung, mit denen Max Raabe mit Formvollendung - kerzengerade im Frack oder Smoking am Mikrofon stehend oder lässig am Flügel gelehnt - die Zuschauer in Bann gezogen hat. --------------------------------------------------------------------- Es ist noch nicht lange her, da las ich ein Schreiben eines Bekannten - der sich genau solcher Worte "bediente" - er wollte es besonders gut machen, aber ich glaube, der Empfänger hatte nur ein Kopf schütteln übrig! Man redet nicht mehr in dieser Weise - aber es ist schön, dass man so in eine Zeit versetzt wird, in der die Werte noch "WERTE" waren! Der Schreiber war aller Voraussicht nach ein Herr der älteren Schule! Nonchalance in unserer heutigen Zeit...! -------------------------------------------------------------------------
Max Raabe und sein Palast-Orchester! Dieses Orchester zieht wirklich jeden Besucher in Bann, und man fühlt sich in die zwanziger und dreissiger Jahre entführt!! ...und auch hier zeigte der Künstler den perfekten Stil der damaligen Zeit! Er stellte seine einzelnen Solisten vor, in dem er sie mit "Herr..." ankündigte! In einer Zeit, in der die Comedians mit flapsigen Sprüchen die Hallen füllen oder vor dem Fernseher für "Lacher" sorgen - schafft es Max Raabe in einer Art und Weise, dass die feinen Frivolitäten und wohldosierten Pikanterien in den Chansons und Liedern ihre Wirkung nicht verfehlen. Allein ein Zucken seiner Augenbrauen deutet an, welche weiblichen Qualitäten er "anzusprechen" gedenkt...und lässt diesen "brav" wirkenden Gentleman erotische Signale versenden! ------------------------------------------------------------------------- Max Raabe! Ein Künstler - weltmännisch am Flügel gelehnt oder kerzengerate am Mikrofon, perfekt gentlemanlike gestylt - vom Lackschuh bis zum Frack oder Smoking und Seitenscheidel - ist ein Mann, der sein Publikum begeistert. Seine Stimme gleitet vom Bariton bis in höchste Falsettlagen (Kopfstimme) - er zerkaut genüsslich die Volkale, lässt die R`s rollen - und wenn er spricht, ist seine Stimme wie ein Streicheln. Man möchte am liebsten rufen: weiter reden...weiter reden....Seine Stimme trifft mitten ins Herz. Max Raabe hat mich begeistert! --------------------------------------------------------------------------- Als er dann nach mehrmaligen Zugaben ein Schlaflied gesungen hat, das mit den Worten: "Am Südpol sitzt ein Pinguin und schaut - ob sein Gletscher taut! Ein Zebra zähle seine Streifen konzentriert - bis es müde wird"....usw. usw. beginnt - hat mich - nicht allein durch den sternenfunkelnden Bühnenhimmel - dies zutiefst bis ins Herz getroffen. Genau solche Schlaflieder hatten unsere Grosseltern unseren Eltern vorgesungen. Hört es Euch selbst an..ich habe unten eine Version für Kinder gefunden (Sesamstraße) - und eine Version für die Erwachsenen. ---------------------------------------------------------------------- ...und noch etwas ist mir wichtig hier wieder zu geben: In einem Interview wurde Max Raabe auf Kleidung angesprochen - und zwar wurde er über seine Meinung in punkto "kurze Hosen" (beim Mann im Sommer) gefragt. Es wäre nicht Max Raabe, wenn er das für gutgeheissen hätte. Ein absolutes no go...Männer in kurzen Hosen, einfach furchtbar. Am Strand ja - aber sonst? Geht gar nicht!!! Und hier teile ich seine Meinung absolut! ------------------------------------------------------------------------- Max Raabe, ein Mann - ein Künstler - gestylt bis zum I-Tüpfelchen - das ist sein Markenzeichen! Seine Sprache: DEUTSCH! Seine Lieder: DEUTSCH! ----------------------------------------------------------------------------- Alles in allem: Ich habe diesen Abend genossen - hab mir die Töne vom Palast-Orchester und die Lieder eingesaugt...und ich werde noch lange, sehr lange - von diesen Stunden zehren. ------------------------------------------------------------ Im März 2010 ist Max Raabe mit seinem Palast-Orchester zu einem Konzert nach Israel aufgebrochen. Vor kurzem wurde im Fernsehen eine Reportage über dieses Konzert und die Erlebnisse gesendet. Schon diese Sendung hatte mich total gefangen genommen...Jeder hat die Möglichkeit, bei Interesse dies im Internet nachzulesen. ----------------------------------------------------------------- ...und zum Schluss noch ein Ausschnitt aus einem Zeitungsbericht - den ich meinen Lesern nicht vorenthalten möchte und der in der Journalistensprache alles auf`s Deutlichste wieder gibt: ----------------------------------------------------------------------------- Aber Hallo!!! Die größte Lüge des Abends gleich zu Beginn. "Ich bin nur gut, wenn’s keiner sieht", flötet der Barde und kokettiert mit rund 1800, die gerade gekommen sind, um ihn zu sehen und zu hören. Es folgen zwei Stunden, die schweben zwischen Leichtigkeit und Strenge, Nähe und Distanz, Humor und Ernsthaftigkeit. Eben genau die Stimmung der goldenen Zwanziger und frühen Dreißiger in der damaligen Weltmetropole Berlin, die Stimmung zwischen Bürgerlichkeit und Aufbruch, zwischen zügellosem Feiern und Untergangsvorahnung. Herrlich frisch gemischt zwischen subtiler Gesellschaftskritik und sich selbst nicht so ganz ernst nehmen bewegt sich das Programm. ------------------------------------------------------------------------------------ Wer hat noch Zeit? Dann entführe ich Euch ein bisschen in die Welt der zwanziger und dreissiger Jahre...Nimmt Euch die Zeit hierzu und lasst Eure Gefühle zu... ---------------------------------------------------------- Version für Kinder....SCHLAFLIED nochmals dasselbe Lied: In der Bar zum Krokodil ---------------------------------------- ...und selbst die kleinen Zwerge ahmen bei Voice of Kids diesen Künstler nach... Küssen kann man nicht alleine... Gib mir den letzten Abschiedskuss

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